„Grundschule in der Fabrikstadt. Dort ging ich zur Schule. Wir wohnten in einem Wohnblock in der Bereitschaftssiedlung des Kraftwerkes, 20 Minuten von der Schule entfernt. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich im Winter meinen zuhause zugeknöpften Mantel aufgemacht habe, damit ich mich größer fühle, ich weiß noch, dass ich so frierend zur Schule lief. Immer ganz früh, ich wollte immer als erster da sein, in der Bank sitzend, lesend und dem Summen des Ofens lauschend. Da herrschte Frieden mit dem Duft des Heizöls.
Sie steht immer noch da, neben der Pfarrkirche, mit ihr zusammengewachsen. Sie wurde auch umgetauft: Jetzt heißt sie Grundschule „Szieberth Róbert“ und Kunstschule. Ich wusste gar nicht, wer der Namensgeber ist, schaute auf der Webseite der Schule nach.
Und jetzt kommt eine lange Pause, Schmerz, wo das Herz brechen könnte….
Auf der Webseite eine Todesanzeige: Die Lehrerin Császár ist mit 85 Jahren gestorben. Nein. Die Lehrerin Császár. Deshalb nicht mit Großbuchstaben, weil sie sich dagegen wehren würde.
Ich schulde ihr was. Viel. Einmal sagte sie mir… die Zehntelsekunden habe ich immer noch in Erinnerung, die Gesten, wie ich von der Schulbank halb aufgelehnt ihre Stimme hörte: Mein Sohn, aus Dir wird ein MENSCH, mit großen Buchstaben. Ich habe es damals nicht verstanden, nur den Ton, dass sie mich eigentlich loben wollte. Sie lobte uns selten, uns Schüler in blauen Schulkitteln aus Polyester.
Seit Jahren wollte ich sie aufsuchen. Immer wieder baldmöglichst.
Ich schulde ihr was. Ich schulde ihr, dass ich es jetzt und hier hinschreibe: Liebe Lehrerin Császár, ich weiß immer noch nicht, wie groß der Mensch in mir werden sollte. Ich stolpere jetzt immer noch herum, ich tue Gutes nach dem Schlechten und Schlechtes nach dem Guten, bitte, gehen Sie nicht weg, bleiben Sie noch mit uns, bleiben Sie mit mir, zeigen Sie mir und erzählen Sie mir bitte, bitte, wie ein Mensch MENSCH werden kann, bitte……
Meine Schule steht neben der Pfarrkirche, wir stehen auf der anderen Straßenseite, ich mit meinem fast brüderlichen Freund, mit meinem ehemaligen Schulkameraden. Wir gehen ein paar Schritte, wir wenden uns nach links, kleines Haus gleich um die Ecke. Es würde den Jungs gut tun, sagt Robi, und ich nicke, was sollte ich auch sonst tun?
Die Jungs sind die Kinder, die heute in meine Schule gehen. Eine Zuwendung würde ihnen guttun. Eine ganz winzige Aufmerksamkeit. Abendessen. Spiel. Gemeinschaft.
Die Jungs von meiner Schule. Sie sind so alt, wie meine eigenen Kinder.
Liebe, liebe Lehrerin Császár, wie macht man das? Wie kann man es ertragen, dass ich, der ehemalige Schüler, etwas den jetzigen Schülern geben kann. Wie stark muss das Herz sein, damit…..? Ich weiß, Sie verstehen mich. Und ich vermisse Sie sehr….“
(Tibor Jakabovics)
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„Ich möchte jenen Kindern eine Chance gewähren, welche in einer extremen Armut auf die Welt gekommen sind, ich möchte denen Halt geben, damit sie in ihren erwachsenen Leben erfolgreich werden können.“ ZSÒFIA TASNÀDI, Leiterin einer Kindereinrichtung mit dem Namen „ÉLMÉNY TÁR TANODA“ (ERLEBNIS HORT) fasste mit diesen Worten zusammen, warum sie sich dafür entschieden hat, eine kinderzentrische und das Lernen unterstützende Gemeinschaft ins Leben zu rufen. Die Einrichtung TANODA – als eine sich von unter organisierende Initiative – wurde in einem ausgeschiedenen Siedlungsteil von Pécs eingerichtet. Sie hat sich in den letzten Jahren laufend erweitert und weiterentwickelt. Um das zu erreichen, mussten sie jedoch auch Krisensituationen bewältigen.
Zusammenhalt nach dem Scheitern bei einem Förderantrag
Im Jahre 2015 haben wir auf das Ergebnis unseres Förderantrags mit großen Hoffnungen gewartet, nachdem wir den Antrag nach unserem besten Fachwissen zusammengestellt haben. Zudem wurden wir so informiert, dass Lehrstädte, die auf eine lange Vergangenheit zurückblicken, bevorzugt werden. Daher waren wir richtig schockiert, als unser Antrag nach einer langen Wartezeit abgelehnt wurde.
Ich saß in meinem Auto und weinte und dachte darüber nach, wie weiter. Was werde ich jetzt meinen Kollegen sagen? Ich bin doch für sie verantwortlich und auch für unsere Kinder, wie sie ihre Zeit außerhalb der Schule verbringen. Letztlich fasste ich den Schluss, ich gebe es nicht auf, ich werde das für unser Bestehen erforderliche Geld ganz sicher irgendwie auftreiben. Es kamen dann Monate der Knappheit, doch alle haben durchgehalten. Das war wahre Loyalität und Engagement.
Monate der Knappheit und Märchen
„Die Knappheit dauerte dann 8 Monate lang. Unser Geld ging langsam zur Neige. Am wichtigsten war für mich, die Mentoren bezahlen zu können. Ich habe die Aufgaben der Geschäftsführung und fachlicher Leitung als Freiwillige erledigt. Während dessen waren die Mieten für unter „Tanoda“ sehr teuer.
Und dann kam etwas, wie in einem Märchen. Ein Bekannter hat uns angesprochen und sagte, er habe einen Freund, der Zivilorganisationen fördern will. Jedoch ist er inzwischen sehr skeptisch geworden, da sein Geld sehr häufig zweckentfremdet eingesetzt wurde. Wir diskutierten eine ganze Stunde lang mit Tibor Jakabovics. Es dauerte nicht lang, um heraus zu finden, dass wir eine ähnliche Auffassung haben, was gesellschaftliche Probleme, Entwicklungen, Hilfen, Armut und Integration betrifft. Tibor fragte letztlich: „Was würde Sie brauchen?“ „Einen Platz, wo wir arbeiten können.“ – habe ich geantwortet und erzählte ihn dann, dass wir unsere Miete bald nicht mehr bezahlen können. „Welch ein Glück! – sagte er – „Ich wollte gerade hier in Pécs ein Haus kaufen. Suchen Sie sich das Passende aus und ich werde es kaufen“.
So kam es, dass wir in den nächsten Wochen zum Verkauf angebotene Häuser besichtigt haben und in einigen Monaten dürften wir die neue Immobilie in Besitz nehmen. Das Haus war gerade so groß, dass wir es heizen könnten. Nicht zu groß, aber wir hatten genug Platz da drin. Der Garten war jedoch riesig und ganz-ganz toll! Wir haben das neue Haus sehr schnell lieben gelernt, und wahrlich, es kam im allerletzten Augenblick. Und dies gab uns allen Kraft in solchen schwierigen Zeiten, wo der Staat unsere Tätigkeiten nicht als förderungswürdig fand.“
Auf neuen Wegen in Richtung Schulgründung
„Wir sind im November 2016 ins neue Haus eingezogen und Tibor war zuerst im Frühjahr 2017 bei uns. Es war uns eine wahre Freude zu sehen, wie ihm das Haus gefällt und wie er sich darüber freut, dass die Kinder, unsere freiwilligen Helfern und meine Kollegen das Haus mit Leben füllen. Er hat gesehen, dass das Nachbarhaus auch zum Verkauf angeboten ist. „Wir sollen es auch kaufen!“ – sagte er. Und machen wir eine richtige Schule!
Ich kann gar nicht sagen, wie oft wir mit unseren Mitarbeitern darüber geträumt haben, eine eigene Schule zu haben. Wo Kinder ihre Wissbegierde nicht verlieren, sondern diese laufend erweitern und aufbauen.
Das Nachbarhaus haben wir gerade in den letzten Tagen eingerichtet. Das ist gut, weil wir immer mehr Kinder bei uns haben, und im Winter hätten wir nicht mehr alle Tätigkeiten im ersten Haus unterbringen können. Die Grünfläche ist jetzt so groß geworden, dass wir darüber nachdenken, ein Sozialunternehmen ins Leben zu rufen, um für die Schule Einnahmequellen zu schaffen. Wir planen einen winzigen Abendteuer-Park im Garten der Schule einzurichten, wo Kinderveranstaltungen und thematische Beschäftigungen durchgeführt werden.